Kennen Sie noch diese Bändchen?
WWJD – What would Jesus do?
Also: „Was würde Jesus tun?“
In meiner Jugend waren die mal voll im Trend…
Hinter dem Slogan steht die Idee, durch solche Armbändchen erinnert zu werden,
sich bei allem, was man tut, zu fragen, wie Jesus Christus in dieser Situation reagieren, handeln oder denken würde.
Diese Frage ist übrigens schon viel älter als diese Bändchen.
Er stammt aus dem Roman „In His Steps“ von Charles Sheldon aus dem Jahr 1896.
Darin wird von einem Geschäftsmann erzählt, der diese Frage als Grundlage für alle seine Entscheidungen nimmt.
Spannende Idee… bei allen Entscheidungen erstmal fragen WWJD?
Aber… puh… ganz ehrlich… ich bin sehr skeptisch, ob das praktikabel ist!
Kann man das machen?
Also ich meine, dazu müsste man ja ganz genau wissen, was Jesus zu allen möglichen Situationen gedacht hat und wie er in allen möglichen Lebenslagen gehandelt hat.
Klar – die Bibel erzählt ganz viele Geschichten von Jesus.
Und auch wenn ich darin immer wieder tiefe Wahrheit entdecken kann, die mich heute noch betrifft… liegt diese Wahrheit doch oft unter der Oberfläche und lässt sich nicht mit einem Fingerschnippen in unsere heutige Lebensrealität übertragen.
Vieles ist doch einfach ganz anders als zu Jesu Zeiten.
Wir stehen vor Fragen und Herausforderungen, die in der Bibel gar nicht auftauchen.
Und außerdem: Ich würde mir niemals anmaßen zu behaupten: Ich wüsste genau, was Jesus getan hätte… das muss doch immer eine unsichere Interpretation von mir bleiben, in die ich auch meine eigenen Wünsche und Vor-urteile einbringe.
Aber trotzdem sind wir immer wieder dazu aufgerufen, uns diese schwierige Frage zu stellen und uns zumindest damit auseinanderzusetzen. WWJD?
Im heutigen Predigttext heißt es: (1 Petr 2, 21-25)
21 Dazu hat er euch nämlich berufen.
Denn auch Christus hat für euch gelitten.
Er hat euch ein Beispiel gegeben,
damit ihr ihm in seiner Fußspur nachfolgt.
22 Er hat keine Schuld auf sich geladen
und aus seinem Mund kam nie ein unwahres Wort.
23 Wenn er beschimpft wurde,
gab er es nicht zurück.
Wenn er litt,
drohte er nicht mit Vergeltung.
Sondern er übergab seine Sache
dem gerechten Richter.
24 Er selbst hat unsere Sünde
mit seinem eigenen Leib hinaufgetragen an das Holz.
Dadurch sind wir für die Sünde tot
und können für die Gerechtigkeit leben.
Durch seine Wunden seid ihr geheilt.
25 Ihr wart wie Schafe,
die sich verirrt hatten.
Aber jetzt seid ihr
zu eurem Hirten und Beschützer zurückgekehrt.
What would Jesus do?
„Was hätte Jesus getan?“
Man darf das nicht zu eng denken!
Wir brauchen keinen Maßnahmenkatalog, in dem für jede nur denkbare Lebenslage die passende Handlungsanweisung von Jesus drinsteht.
Und die Bibel dürfen wir so auch nicht missverstehen.
Es geht um die richtige Richtung… wir sollen seiner „Fußspur“ nachfolgen, heißt es im Brief.
Das bedeutet für mich: Jesus gibt mit seinem Leben Orientierung im schwierigen Gelände.
Und so eine Fußspur ist etwas unheimlich tröstliches.
Das bedeutet nämlich: Da ist schon mal jemand gegangen!
Es gibt einen Weg hindurch.
Wir sind nicht völlig verirrt und verloren.
Jesus ist alle steinigen Wege schon vor uns gegangen.
Und wenn wir seinen Spuren folgen finden wir zum Ziel.
Trost und Orientierung – genau das brauchen wir gerade.
Manchmal fühlt sich diese Pandemie schon an wie ein endloser Irrgarten.
Es ist so schwer sich zu orientieren.
Alles ist so unübersichtlich und kompliziert!
Was stimmt eigentlich von dem, was wir hören? Wo sind Halbwahrheiten und wem können wir glauben?
Welche Maßnahmen sind wirklich notwendig und was ist jetzt der richtige Weg?
Ganz dringend bräuchten wir einen guten Hirten, der den Weg kennt.
Nur leider steckt da im Moment auch viel Gefahr drin.
Es gibt viele, die sich als gute Hirten aufspielen und doch nur falsche Propheten sind.
Menschen, die mit einfachen Antworten über komplizierte Sachverhalte hinwegtäuschen.
Menschen, die von ihren Emotionen geleitet eindeutige Fakten ausblenden und sich eine Wunschwelt basteln.
Menschen, die Unsicherheit und Angst zu ihrem Vorteil nutzen wollen um Macht über andere zu erlangen.
Das ist sicher der falsche Weg.
WWJD?
Was würde Jesus tun?
Er hat keine Schuld auf sich geladen
und aus seinem Mund kam nie ein unwahres Wort.
Ich glaube das ist wichtig in diesen Zeiten:
Darauf zu achten, dass wir nicht leichtsinnig schuldig werden, wo wir es vermeiden können – an unseren Mitmenschen und an uns Selbst.
Dass wir uns mehr um Wahrheit und Klarheit bemühen als um verlockend klingende einfache Lösungen.
Wenn er beschimpft wurde,
gab er es nicht zurück.
Wenn er litt, drohte er nicht mit Vergeltung.
Sondern er übergab seine Sache dem gerechten Richter.
Ich glaube das ist wichtig in diesen Zeiten:
Nicht blind nach Schuldigen suchen und mit dem Finger zeigen.
Nachdenken, bevor man irgendwelche Parolen mit schreit, die nur schaden und nicht nutzen.
Und sich bewusst machen, dass es nicht allen gleich gut geht im Lock-Down, dass manche wirklich leiden und jetzt seelischen Beistand brauchen.
Dazu tragen wir alle Verantwortung. Trotz, oder gerade wegen unseres guten Hirten.
Das können wir nicht abgeben. Wir müssen unsere Schritte selbst gehen.
Und die Spur, der wir nachfolgen selbst wählen.
Manchmal frage ich mich, ob die Fußspuren Jesu mir nicht 2-3 Nummern zu groß sind.
Nein… ganz sicher ist es so.
Ausfüllen werde ich sie nie können.
Aber das muss ich auch gar nicht.
Viel wichtiger ist, dass ich mich auf den Weg mache.
Und dann immer wieder mal anhalte, um mir klar zu werden wem ich da gerade nachrenne… stimmt die Richtung noch?
Gott sei dank sind wir nicht allein auf unserem Weg.
Wir alle sind unterwegs.
Und immer wieder gibt es Menschen, die Jesu Fußspuren mit großer Ernsthaftigkeit und bewundernswerter Hingabe nachfolgen.
Dietrich Bonhoeffer war so einer.
Zielstrebig und kompromißlos.
Für mich faszinierend und erschreckend zugleich.
Vor wenigen Tagen, am 9. April, hat sich seine Ermordung in Flossenbürg zum 75. mal gejährt.
Er ist Jesu Fußspuren bis ans Ende gefolgt… nicht ans Kreuz, aber an den Galgen.
Von ihm stammen die Worte, die uns auch heute Trost und Kraft geben können.
Ein Bekenntnis zu unserem guten Hirten, der uns durch schwere Zeiten führt:
Ich glaube,
daß Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes
entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten
dienen lassen.
Ich glaube,
daß Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandkraft geben
will, wie wir brauchen.
Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns
selbst, sondern allein auf ihn verlassen.
In solchem Glauben müßte alle Angst vor der Zukunft
überwunden sein.
Ich glaube,
daß auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind,
und daß es Gott nicht schwerer ist mit ihnen fertig zu werden,
als mit unseren vermeintlichen Guttaten.
Ich glaube,
daß Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern daß er auf aufrichtige
Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.
Amen.
Verfasser: Pfarrer Christoph Zeh