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Andacht zu Karfreitag

Eröffnung: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Psalm: Evangelisches Gesangbuch 801.9 (Jesaja 53)

Evangelium: Johannes 19, 16-30

Auslegung

Liebe Leserin, lieber Leser, „ein Vater und sein Sohn lebten friedlich und in völliger Eintracht. Sie arbeiteten miteinander und teilten gemeinsam, was sie ernteten. Doch eines Tages wies der Vater den Sohn zurecht. Dieser hatte eine der Grundregeln ihres Zusammenlebens verletzt und den Vater betrogen. Daraufhin zog sich der Sohn zurück in sein Haus auf der anderen Seite des Baches. Die Kluft zwischen ihnen wurde mit der Zeit immer größer. Und zum Zeichen dafür, dass der Sohn mit dem Vater nichts mehr zu tun haben wollte, fing er an, eine Mauer vor sein Haus zu bauen. Er wollte seinem Vater zeigen, dass er auch ohne ihn leben könne.

Eines Tages klopfte jemand an der Tür des Sohnes. Es war ein Mann, der Arbeit suchte. „Kann ich vielleicht einige Reparaturen bei Ihnen durchführen?” „Ich hätte schon Arbeit für dich”, antwortete der Sohn. „Dort, auf der anderen Seite des Baches steht das Haus meines Vaters. Ich möchte ihn nicht mehr sehen müssen. Bau die Mauer, die ich begonnen habe, weiter. Bau sie so hoch, dass ich meinen Vater nicht mehr sehen muss.“

„Ich habe verstanden“, antwortete der Mann. Danach ging der Sohn für eine Woche auf Reisen. Als er wieder nach Hause kam, war der Mann mit seiner Arbeit fertig. Doch welch eine Überraschung für den Sohn! Was er sah hatte er nicht erwartet. Anstatt die Mauer weiter zu bauen hatte der Mann aus den Steinen der Mauer eine schöne Brücke über den Bach gebaut.

Auf der Brücke stand der Vater, breitete die Arme aus rief seinen Sohn zu sich. Überrascht von all dem, was da gerade geschah, ging der Sohn auf seinen Vater zu und lies sich umarmen.   

Während Vater und Sohn Versöhnung feierten, räumte der Mann sein Werkzeug auf und schickte sich an, weiter zu ziehen. „Nein, bleib doch bei uns, denn hier ist Arbeit für dich”, sagten sie ihm.

Der Mann aber antwortete: „Gerne würde ich bei euch bleiben, aber ich habe noch anderswo viele Brücken zu bauen …” (Quelle unbekannt, bearbeitet und verändert durch Manuel Sauer)

Liebe Gemeinde, es ist eine Karfreitagsgeschichte. Eine, die der Apostel Paulus einmal in folgende Worte gepackt hat: „Gott war in Christus und versöhnte in Christus die Welt mit sich und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.“ (2. Korinther 5, 19)

„Gott war in Christus.“ Auch und gerade am Karfreitag. Gott selbst ist da am Werk. Er ist nicht Regisseur des Ganzen und schaut zu. Nein, er ist mitten drin, in Christus! Gott selber gibt sich hin in die Schrecken des Todes. Er hält sie aus und hält sie durch.

„Gott war in Christus und versöhnte in Christus die Welt mit sich.“ Am Karfreitag begegnen sich Gott und Welt. Im Kreuz kommt zusammen, was sonst getrennt war. Die Mauer der Schuld, die wir Menschen immer und immer wieder hochziehen – so wie der junge Mann aus der Geschichte – trennt uns.

Das ist die grausame Wirkung von Schuld. Das erleben wir ja immer wieder, wenn wir aneinander schuldig werden: Schuld entzweit solange sie zwischen uns steht. Schuld entzweit Mensch von Mensch, aber eben auch Mensch von Gott.

Und deswegen ist es so etwas Großes, etwas mit Worten kaum zu fassendes, wenn Paulus schreibt: „Gott war in Christus und versöhnte in Christus die Welt mit sich und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu.“

Gott verzichtet auf etwas, was wir Menschen nur zu gerne tun. Einander die Dinge auf-rechnen. Miteinander ab-rechnen. Dem anderen die Schuld zu-rechnen.

Auch in der aktuellen Krise passiert das ja wieder. Es werden Schuldige gesucht – und auch schnell gefunden. Flüchtlinge hätten das Virus ins Land gebracht heißt es dann. Geheime Organisationen bzw. der „tiefe Staat“ hätten den Shutdown herbeigeführt. China gibt den USA die Schuld am Virus. Und in den USA beschuldigt der Präsident, der die Bedrohung zunächst klein geredet hatte, nun die Bundesstaaten, sie hätten sich nicht gut genug auf die Ausnahmesituation vorbereitet.

Und wenn wir uns selber ehrlich beobachten, dann sind wir von dieser Suche nach dem oder der Schuldigen auch nicht gefeit. Wir können das auch.

Wenn wir uns das bewusstmachen, wenn wir die Welt so wahrnehmen, wie da aufgerechnet und miteinander abgerechnet wird, und dann diese Worte hören: Aber Gott „rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu“, erst dann wird uns vielleicht bewusst, welch ganz andere Welt sich da am Karfreitag für uns auftut!

„Gott rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.“ Das geschah am Kreuz auf Golgatha. Gott rechnet mit seinen Menschen nicht ab. Er baut an der Mauer der Schuld nicht weiter. Sondern lässt stattdessen eine Brücke zwischen sich und der Welt, zwischen sich und uns bauen. Ja, eigentlich baut er sie selber, denn „Gott war in Christus“.

Das Kreuz, es ist nur auf den ersten Blick ein Symbol des Todes. Wer aber versteht, dass Gott selber hier am Werk ist, für den wird es das, was es für Paulus war: Der Ort der Versöhnung.

Oder, um es mit der Geschichte zu sagen: Ein Brückenschlag zwischen Gott und Mensch. Und dort wartet er auf uns, ja auf die ganze Welt, die Arme ausgebreitet wie Christus am Kreuz. Er ruft seine Welt zur Versöhnung. Sind wir bereit dazu? Amen.

Lied: EG 93, 1-4

Gebet (die Gebetsanliegen stammen von einem Konfirmanden und Konfirmandeneltern aus unserer Pfarrei)

Gott, schenke jedem die nötige Kraft, um seine Herausforderungen durch Corona zu meistern. Bestärke jeden, trotz allem zuversichtlich zu bleiben.

Lieber Gott, bitte sorg in diesen schweren Zeiten dafür, dass alle das Richtige tun. Selbst ohne zu hamstern haben wir alles, was wir brauchen. Danke dafür!

Herr, bitte mach, dass die Politiker nichts Unüberlegtes tun. Hilf uns, dass wir die berechtigten Regeln der Politiker befolgen, damit das Virus verlangsamt oder gar gestoppt werden kann.

Herr, wir bitten dich für alle, die in diesen Tagen verstorben sind. Lass sie Ruhe finden bei dir. Stärke den Glauben all derer, die um ihre Lieben trauern. Lass sie die Botschaft von Ostern hören. Du lebst und willst, dass wir und auch unsere Verstorbenen mit dir leben.

Lieber Vater im Himmel, das Sprichwort „Nicht selten etwas Schlechtes, was nicht auch etwas Gutes beinhaltet“, bewahrheitet sich gerade. Manche Menschen haben plötzlich wieder mehr Zeit, inne zu halten, rücken trotz Corona näher zusammen und helfen sich, fangen an zu beten. Du bist unsere Hilfe, unser Trost und Stärke. Schenk uns, dass wir uns wieder ganz neu auf dich und das Wesentliche im Leben besinnen.“

Vaterunser

Segen: Es segne und behüte unsder allmächtige und barmherzige Gott,der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

Verfasser: Pfarrer Manuel Sauer